Mittwoch, 15. August 2012

Helmut und Abdi

"In einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht..." wussten schon die Toten Hosen zu kritisieren, als sie noch ihre echten Zähne hatten und die billigen Touchpads von Star Trek noch nicht hart von ihren dreihundert Jahre zu früh erschienenen Apple-Konkurrenten durchgefickt wurden an technischer Finesse übertroffen wurden - und trafen damit den Nagel auf den Kopf. Eine Welt, gebunden an Normen und Regeln, versklavt von Gesetzen und Verboten, engstirnig im Kopf und duckmäuserisch vor sich selbst. Was für ein Glück, schreit da der Geknechtete, dass es Menschen gibt, die sich nicht mit Roboten gehen zufrieden geben, die die Revolution heraufbeschwören und sich nicht vom unsinnigen Paragraphen A38 leiten lassen, sondern nur von ihrem eigenen unantastbaren und über alles erhabenem moralischen Kodex. Nicht viele sind es, die uns dieses Licht in der Finsternis scheinen, aber umso klangvoller ihre Namen - der Zottelbart auf dem T-Shirt Che Guevara, Judge Dredd, Charles "Selbstjustiz" Bronson und natürlich, natürlich, natürlich und Gott sei Dank (immerhin lebt man ja als Deutscher im Roboterland schlechthin) Helmut Schmidt. Das Vorbild sämtlicher Mumien seit Ramses II., der Grund, warum Rollstühle wieder voll im Trend sind und der schärfste Kritiker von beinahe allem außer Seitenscheiteln wird in seiner Rolle als Querdenker, als Intellektueller und als Zombie landesweit als unabdingbar für den kulturellen Fortschritt gefeiert wie die Erfindung der Döner-Box. Zu Recht? Nun ja.

Bei genauerer Betrachtung setzen sich seine Fans aus zwei Gruppen zusammen. Die erste ist die der bemitleidenswerten Raucher, die betont uninformiert unpolitisch ist und ihn deswegen so verehrt, weil er als einziger Mensch im Land in Irrenanstalten Politischen Talkshows rauchen darf. Da ist dann auch das Thema der Sendung irrelevant, es zählt die Geste des Protests, es zählt der "freie Fahrt für freie Bürger"-Gedanke und es zählt die leise Hoffnung, dass es diesem Mann gelingen möge, die Hatz auf ihresgleichen zu beenden und sie nicht mehr zu zwingen, in Eiseskälte, Schnee und Regen vor ihrem Lokal zu stehen, während sich vorm wohlig warmen Kaminfeuer die verachtenswerten Nichtraucher orgiastischen Genüssen hingeben. Soll man ihnen ihr Vergnügen lassen. Wer zu einer derart rapide aussterbenden Spezies gehört wie ein Raucher, der braucht diese Art der Heldenverehrung. Zweifellos haben auch die Dinosaurier einen der ihren aus ihrer Mitte gewählt, damit er von seinem Rollstuhl aus den Meteoriten von paffenden Zügen begleitet hinwegsabbeln möge.

Nerviger ist da schon die zweite Gruppe, die sich aus denjenigen zusammensetzt, die tatsächlich auf das hören, was aus seinem alterszerfurchten Gesicht kommt und sich nicht damit zufrieden geben, ihn nur wegen seinem Tabakkonsum abzufeiern. Und Spaß macht es ja, ihm zuzuhören, zugegebenermaßen. Er hat ja auch für alles eine Lösung parat. Mit nur einem Wort, einer Geste, einem Silberblick gibt er so simple Antworten zu den Themen Eurokrise, Integration und Frauen abschleppen und man selbst sitzt vorm Fernseher und fragt sich: Scheiße, warum kommt da eigentlich sonst niemand drauf? Vielleicht deswegen, weil es oftmals doch nicht so simpel ist, wie es scheint und Politiker, die noch nicht in die Hand gespuckt haben um Petrus ein High Five zu geben aktiv sind sich (theoretisch) nicht nur auf salbungsvolle Worte beschränken können. Aber mit dem Ende seiner aktiven Karriere ist Helmut Schmidt zum Tupac Shakur der Politik geworden, mit einem Wort: Unfuckable. Er muss ja nichts mehr machen, ist eine unantastbare Ikone geworden und bringt alle zwei Jahre noch ein Album raus und kann zu allem und jedem seinen Senf abgeben, bevorzugt zu den gaaaaaanz großen Dingern (Gerechtigkeit, Zukunft, Guido Westerwelle no homo), denn "Tagespolitik" (Quote) interessiert ihn halt nicht. Da muss man dann doch sagen: Geiler Job. Würde ich auch gerne machen. Und das beste: Könnte ich doch auch. Sogar Celo&Abdi könnten das machen. Bei denen reimt sich das Gesabbel wenigstens und die haben hübsche Thug Life-Klamotten an, was sie im Tupac-O-Meter weit, weit an Schmidt vorbeiträgt. No Homo.

In diesem Sinne bleibt mir nur, eben jene großen deutschen Poeten und Sprechgesangsartisten Celo und Abdi zu zitieren, die schon letztes Jahr zu berichten wussten:

"Unser Auftrag ab in die Hauptstadt, weil ich draufkack, was die Ossi-Braut sagt." Na dann. Mehr Substanz hat Schmidt doch auch nicht.Und was öffentlich propagierte Drogensucht angeht, da bin ich mir ganz sicher, hat der Abdi auch noch einiges in Petto. In diesem Sinne kann man also ganz beruhigt sein.



Hier gehts zu den Sprechgesangsartisten der Woche:




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